ABSCHLUSSARBEITEN,  QUALIFIED TEACHER

Shiatsu bei Kindern mit somatoformen Störungen – von Philipp Bernhard Walz

Einleitung – Persönliche Motivation und Inhalte dieser Arbeit

Das erste Kind, das ich im Rahmen des Kinderpraktikums behandelte, hieß Jonas (Name geändert). Jonas war ca. 8 Jahre alt, ein überaus intelligenter und aufgeweckter Junge, der sehr schnell sprach und kaum ruhig sitzen konnte. Ich wusste von den Betreuern im Wilhelminenspital (heute Klinik Ottakring), dass er bei seiner Großmutter lebte, da seine Mutter aufgrund psychischer Probleme ebenfalls im Wilhelminenspital stationär untergebracht war. Von seinem Vater war nichts bekannt. Zu Beginn versuchte ich mit Jonas ins Gespräch zu kommen und fragte ihn, was er gerne mache, welche Hobbies er hätte. Er
erzählte mir von Computerspielen, hauptsächlich Kriegsspielen. Besonders an Waffen war er interessiert. Ich erklärte ihm, dass ich mich bei Waffen nicht auskenne und sie mich auch nicht interessieren. Er war darüber etwas enttäuscht und begann mir dann über den zweiten Weltkrieg zu erzählen. Er tat dies auf eine auffällig altkluge Weise – man merkte gleich, dass er über Dinge sprach, die er nicht verstand. Offensichtlich gab er nur weiter, was er in seinem nächsten Umfeld aufgeschnappt hatte.

Sein Hara war im Bereich Gallenblase und Leber auffällig. Drang nach Bewegung, seine auch geistige Unruhe, seine Bedürfnis nach Freiraum und Kreativität schienen mir ein Hinweis darauf zu sein, dass ihm eine Behandlung der Meridiane Leber und Gallenblase (Element Holz) unterstützen und deren Qi besser verteilen könnte. Dass er sich freier und gelöster bewegen kann. Gleichzeitig versuchte ich ihn mit Barfuß-Shiatsu einmal in einen ruhigeren Zustand zu bekommen. Aber alle meine Versuche halfen nicht viel: Er schaute sich während der Behandlung im Raum um, sprach zu den anderen Kindern, änderte ununterbrochen seine Position auf der Matte oder versuchte mich wieder in ein Gespräch über Waffen zu verwickeln.
Nach den ersten 50 Minuten war ich einigermaßen ratlos und sah der zweiten Behandlung etwas besorgt entgegen: wie könnte ich Jonas bestmöglich unterstützen? Wie würde ich ihn dazu bringen, auf der Matte liegen zu bleiben? Zu Beginn der zweiten Behandlung war alles wie gehabt: Jonas war extrem lebendig und unruhig. Ich bat ihn, sich in die Seitenlage zu begeben und griff nach seinen Füßen. Einer plötzlichen Eingebung folgend fragte ich ihn, wo er denn am liebsten berührt werden möchte. Er zögerte nicht lange und griff mit seiner Hand an seine Ferse, wo auch meine Hand bereits lag und bat mich, ihn genau hier anzufassen. Er legte sich auf den Rücken, ich umfing mit meinen Fingern die Knöchel seiner Füße und presste die Fersen intensiv zusammen. Offenbar nicht genug, denn Jonas bat mich fester zu drücken,
was ich auch tat. Jonas darauf: „Fester!“. Dann: „Noch fester! Schließlich: „Ganz fest!“ und „Noch mehr!“ Ich drückte schließlich so fest ich nur konnte. Jonas ließ ein zufriedenes „Jaaa“ vernehmen, dann ging ein Zucken durch seinen Körper, wie eine Entladung, ein „Body-Shift“ oder „Felt Shift“. Ab diesem Moment lag Jonas entspannt auf der Matte und ich konnte meine Behandlung fortsetzen. Er sprach auf alles, was ich im Folgenden machte, positiv an und entspannte sich zusehends. Zu Beginn der folgenden Sitzung bat er mich wieder, dieses Fußbzw. Fersendrücken auszuführen. Wir wiederholten dieses Prozedere ab diesem Zeitpunkt zu Beginn jeder Sitzung. Jonas wurde ruhiger und konnte sich gut auf Shiatsu einlassen. Er kam
gerne, schien fokussierter und interessierte sich für mich bzw. meine Arbeit mit Shiatsu. Nach 10 Wochen, am Ende der letzten Behandlung, verabschiedete ich mich von ihm und wünschte ihm alles Gute für die Zukunft. Er rannte ohne Verabschiedung aus dem Zimmer, wie er das immer gerne tat. Nach kurzer Zeit ging die Türe wieder auf, Jonas stürzte auf mich zu, umarmte mich und rannte wieder davon.

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